ÜBER DIE CHAN-TRADITION – ODER: WER TRINKT DIESEN TEE?

 

Chan ist das chinesische Wort für das bekanntere japanische Wort Zen. Um die Chan-Tradition, die eine der vielen Richtungen im Buddhismus ist, zu erklären, kann man sich beim Tee folgende Frage stellen: „Wer trinkt diesen Tee?“ Die Antwort lautet vermeintlich: „Ich natürlich!“ Damit ist die Frage aber nicht beantwortet. #

Sich selbst als Tee trinkenden zu erkennen, heißt noch lange nicht, sein wahres Ich zu erkennen. Im Chan-Buddhismus geht es immer um die Suche nach dem wahren Selbst. Alle bestehenden Konzepte von sich und der Welt sind dabei erst einmal nur hinderlich.
Es gilt, jeden einzelnen Gedanken loszulassen, alle rationalen Theorien und verworrene Emotionen hinter sich zu lassen, sich selbst in einen Zustand zu bringen, in dem kein einziger Gedanke, kein hinderliches Gefühl aufkommt, sondern nur noch die direkte Wahrnehmung steht, eine absolute Bewusstheit.

Descartes Satz: „Ich denke, also bin ich“, passt hier also nicht. Man könnte fast sagen: „Ich denke, also bin ich nicht.“ Das heißt natürlich nicht, im Nichts zu versinken!
Es geht um einen Zustand der Befreiung und der absoluten Klarheit des Geistes. Der kann in der Meditation erreicht werden. Meditation ist also eine Hilfestellung, eine Übung. Sie ist weder das Ziel, noch der einzig mögliche Weg zum wahren Selbst.
Chan wird in jedem Moment des Lebens praktiziert. Mit Übung ist es möglich, auch den Alltag in einem befreiten Zustand zu meistern, jeden Moment im Hier und Jetzt sehr bewusst zu erleben.
Die Tee-Zeremonie ist im Chan-Buddhismus eine Achtsamkeitsschulung. Auch in den kleinsten Situationen des alltäglichen Lebens liegt die Möglichkeit zu höherer Seinserfahrung. Selbst das Trinken von Tee schult das Bewusstsein und kann absolute Hingabe an den Augenblick sein, und wenn du dabei alle wirren Gedanken loslassen kannst, kannst du dein wahres Selbst erfahren, dann kannst du die Frage: „Wer trinkt diesen Tee?“ wirklich lösen.

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