Von der ehrwürdigen Thubten Chodron am 22. Mai 2018 in „Monastics in the West“ – Übersetzung von Hella Farrell
Der Brief kam von einem Gefangenen, der wegen Einbruchs und der Verletzung einer Kontaktsperre eine kurze Gefängnisstrafe verbüßen musste. Ein Verbrechen, aber kein gewalttätiges. Er kochte jedoch vor Wut, weil sein „Freund“ eine Affäre mit seiner Frau und seine Tochter vergewaltigt hatte. Sein Brief beschrieb seine unbeherrschbare Wut und sein Verlangen nach Rache, das ihn auffraß. Jeden Tag plante er, wie er seinen „Freund“ und seine Frau umbringen würde, wenn er aus dem Gefängnis entlassen würde.
Auf Anregung eines buddhistischen Gefangenen las er glücklicherweise mein Buch „Taming the Mind“ (Den Geist bändigen), und das Unvorstellbare geschah – er konnte ihnen vergeben. Sein Brief endete damit, dass er mir dankte, dieses Buch geschrieben zu haben, und dem erschreckenden Satz: „Danke, dass Sie mir geholfen haben, kein Mörder zu werden.“
Das ist der Grund, warum Mönche und Nonnen in der modernen Welt wichtig sind. Wäre ich keine Nonne, hätte ich nie die Zeit oder die Gelegenheit gehabt, die notwendig sind, um das Dharma zu studieren und zu praktizieren oder ein Dharma Buch zu schreiben.
Unser Lehrer, der Buddha, war auch ein Mönch. Das spricht Bände für die Bedeutung des monastischen Lebenswegs, ethisches Verhalten, Konzentration, Weisheit und Mitgefühl zu üben.
Bevor wir darüber sprechen, wie man die Sangha stärken kann – die monastische Gemeinschaft – müssen wir wissen, welchen Wert sie der gegenwärtigen Gesellschaft bringt. Während das monastische Leben von unschätzbarem Nutzen ist für diejenigen, die ins Kloster eintreten, möchte ich hier die Rolle der monastischen Gemeinschaft in der modernen Gesellschaft untersuchen. Diese Rolle umfasst:
- Die Dharma Lehren zu erhalten und sie an zukünftige Generationen weiterzugeben.
- Eine sichtbare Präsenz von Menschen, die ein ethisches Verhalten zeigen und Güte und Mitgefühl kultivieren; die als moralisches Gewissen der Gesellschaft fungieren.
- Ein Beispiel zu geben, wie man Glück durch einen einfachen Lebensstil erlangen kann, der die Umwelt respektiert.
- Klöster und andere Orte zu etablieren, wo die Lehren, spirituelle Beratung und unterstützende spirituelle Freundschaften zu finden sind.
- Zentrale Orte für Dharma Texte, heilige Objekte und in Ehren gehaltene spirituelle Artefakte zu etablieren; und vieles andere mehr.
Ich nutze das Sravasti Abbey, wo ich lebe, um einige dieser Punkte umzusetzen, da es die mir am meisten vertraute Situation ist. Es gibt jedoch viele weitere Tempel und Klöster, die sich auf diesen Gebieten etabliert haben und bessere Beispiele sind.
Historisch betrachtet liegt die Erhaltung und die Lehre des Dharma, damit Buddhas Lehre von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden kann, in der Verantwortung der Sangha Gemeinschaft. Von den frühen Tagen der Bhanakas an – Schriftgelehrte, deren Aufgabe es war, Sutren zu sammeln und auswendig zu lernen – haben sie nicht nur die Texte weitergegeben, sondern auch sowohl Mönche als auch Laien im Dharma unterrichtet. Als das Schreiben populär wurde, war es die Gemeinschaft der Mönche und Nonnen, die die Schriften aufbereitete, druckte und kommentierte. Heute lernen Mönche und Nonnen die Schriften nicht nur auswendig, sondern nehmen aktiv an ihrer Digitalisierung, Übersetzung und weltweiten Verbreitung teil.
In allen Jahrhunderten und Ländern bestand die Mehrheit der Lehrer und Meditierenden aus Mönchen und Nonnen. Auf diese Weise geben sie das überlieferte Dharma in Lehre, Praxis und Realisierung weiter. Viele gründen Institutionen und Fakultäten oder verbreiten Lehren online. Das Leben im Kloster bietet optimale Bedingungen, das Dharma zu erlernen, zu praktizieren und zu verwirklichen. Mönche und Nonnen haben mehr Zeit, weil sie weder heiraten noch Kinder großziehen. Der strukturierte Tagesablauf integriert Lehre, Meditation und Dienst in jede Aktivität des Tages.
In den Sutren lesen wir, dass viele Menschen dem Buddha folgten, weil sie die friedvolle, würdevolle Lebensweise seiner Schüler sahen. Das Halten reiner Lebensregeln formt Charakter und Präsenz. Begegnungen mit ethisch gefestigten Menschen erhellen den Geist anderer – allein ihre Gegenwart kann lehren. In einer Zeit, da Korruption und Gleichgültigkeit dominieren, brauchen Menschen solche Vorbilder dringender denn je. Eine einzige friedvolle Begegnung auf der Straße kann den Glauben an die Menschheit erneuern.
Ein amerikanischer Freund von mir, ein langjähriger Praktizierender in Dharamsala, sah in New York einen Mönch auf der anderen Seite des U-Bahnhofs. Der bloße Anblick der Robe berührte ihn so tief, dass er hinüberrannte, um ihn zu treffen. Solche Momente geschehen, weil die Roben der Sangha sichtbar an Weisheit und Mitgefühl erinnern.
Auf einem Flug begegnete mir ein Mann, der unter Alkohol stand. Er erzählte mir seine Sorgen, und ich erklärte ihm einfache buddhistische Konzepte. Er beruhigte sich sichtbar. Bei einem anderen Flug, der annulliert wurde, blieb ich ruhig; später sagte eine Passagierin, meine Gelassenheit habe ihr geholfen, gleichmütig zu bleiben.
Auch als Gruppe sind Mönche und Nonnen eine lebendige Verkörperung ethischer Lebensführung. In einer Welt, die von Habgier und Gewalt geprägt ist, erinnern sie daran, dass Mitgefühl und Achtsamkeit möglich sind. Durch ihr Leben in Gemeinschaften, die auf Karma-Verständnis, Mitgefühl und Weisheit fußen, fordern sie Werte wie Ehrlichkeit, Gewaltfreiheit und gegenseitigen Respekt wieder ein.
Mönche und Nonnen engagieren sich zudem im Dialog zwischen Buddhismus und moderner Wissenschaft. Sie arbeiten mit Forschern, Psychologen und interreligiösen Gruppen zusammen, engagieren sich ehrenamtlich in Gefängnissen, Hospizen, Tierheimen und Jugendzentren und setzen sich für soziale Gerechtigkeit ein.
Die Sangha bietet auch ein Vorbild für ein glückliches Leben in Einfachheit. In einer materialistischen Gesellschaft wird Erfolg an Besitz gemessen. Doch Mönche und Nonnen lehren Zufriedenheit mit wenig. Ihr Leben fordert uns auf, unsere Werte zu überdenken: Glück entsteht nicht aus Reichtum, sondern aus innerem Frieden und Mitgefühl. Ihr Lebensstil zeigt, dass bewusster Konsum und Achtsamkeit im Umgang mit Umwelt und Ressourcen ein Ausdruck spiritueller Praxis sind.
Im Sravasti Abbey bemühen wir uns, umweltbewusst zu leben: wir vermeiden Einwegprodukte, recyclen, kompostieren, teilen Fahrzeuge. Laienpraktizierende lernen durch unser Beispiel, nachhaltiger zu leben. So trägt spirituelle Praxis gleichzeitig zur Heilung der Erde bei.
Klöster sind Orte des Rückzugs, Lernens und Mitgefühls. Laien finden dort spirituelle Anleitung, Frieden und Inspiration. Anders als in gewöhnlichen Häusern können sie sich hier ohne Ablenkung der Praxis widmen, Trost suchen oder Begleitung in Krisen finden. Die Existenz solcher Orte schenkt Hoffnung – selbst jenen, die sie nur online kennen. Zu wissen, dass irgendwo Menschen leben, die Liebe und Mitgefühl kultivieren, stärkt Vertrauen in das Gute.
Darüber hinaus bewahren Klöster Dharma Texte und heilige Objekte auf. Viele Besucher, auch nichtbuddhistische, erfahren dort still die Gegenwart des Heiligen. Solche Orte pflanzen Samen des Dharma in unzählige Herzen.
Wie lässt sich die Rolle der Sangha stärken? Hier einige Anregungen:
- Stelle eine Verbindung zu einem Kloster her und nimm regelmäßig an Dharma Veranstaltungen teil.
- Hilf, Dharma Bücher zu verbreiten oder zu finanzieren, damit sie Bedürftige oder Gefangene erreichen.
- Unterstütze Kloster-Websites technisch oder finanziell.
- Übersetze Lehren ehrenamtlich in weitere Sprachen.
- Spende Zeit oder Geld für Sangha-Projekte wie Hospize, Schulen oder Beratungszentren.
- Unterstütze Mönche und Nonnen, die das Dharma in neue Regionen tragen.
- Oder ordiniere selbst – werde Mönch oder Nonne und widme dich der Praxis.
Wenn du eine tiefe Sehnsucht nach Sinn und Mitgefühl verspürst, erwäge das klösterliche Leben. Es bietet einen Weg, Weisheit, Frieden und Mitgefühl im eigenen und im kollektiven Geist zu verwirklichen.
Das Motto im Sravasti Abbey lautet: „Frieden schaffen in einer chaotischen Welt.“ Möge die vierfache Gemeinschaft – Mönche, Nonnen, Laienmänner und Laienfrauen – zusammenwirken, um Frieden zu fördern, weise zu leben und ihr Leben den drei Juwelen zu widmen.