Mit Mut und Ausdauer ans Ziel

Der buddhistische Weg ist sehr freudvoll und sehr lebensbereichernd, allerdings ist er, wenn man ihn ernsthaft beschreitet, auch kein leichter Weg. Es braucht Mut und Tapferkeit, diesen Weg stetig vorwärts zu gehen. Buddha beschreibt im Sutra der 42 Kapitel in Kapitel 33 einen Praktizierenden als jemanden, der in eine Schlacht zieht:

„Buddha sagt: “Jemand, der den Weg praktiziert, ist wie jemand, der alleine in eine Schlacht gegen zehntausend Feinde zieht. Es kann sein, dass er den Mut verliert und auf halbem Wege umkehrt, er in der Schlacht umkommt oder als Sieger zurück kehrt. Mönche, die dem Weg folgen, sollten entschlossen und eifrig bemüht sein, tapfer und kampfbereit. So werden sie alle Dämonen zerstören und den Weg verwirklichen.“

Diese Lehre ist an Mönche gewandt, doch können wir sie alle auf uns anwenden, wenn wir den Weg mit der Motivation praktizieren, letztendlich das Samsara zu transzendieren und/oder die volle Buddhaschaft zu erreichen, wenn wir den Weg verwirklichen und Erleuchtung erlangen wollen.

Wir ziehen in den Kampf. Unsere zahlreichen Feinde sind dabei unsere eigenen Gedanken, unsere Gier, Ärger, Unwissenheit, Stolz, Zweifel, fehlerhafte Ansichten, unser Ego und viele mehr, die sich daraus ableiten. Sie werden als Feinde bezeichnet, da sie uns von unserer Bewusstheit (Awareness) und damit Klarheit des Geistes abhalten. Weitere Feinde sind unsere Gewohnheiten, die sich auf die vielen Klesas in unserem Geist begründen. Die Rüstung, die wir anlegen sind die 3 Zufluchten und 5 Silas, Weisheit und Mitgefühl, sowie unsere Achtsamkeit und Bewusstheit (Awareness).

Nun ziehen wir gut gewappnet los, doch es kann sein, dass uns schon der Mut nach kurzer Zeit verlässt, wir erahnen die Schwierigkeiten und Herausforderungen dieses großen Unterfangens. In der Meditation werden wir überwältigt von der Gedankenflut, im Alltag vergessen wir die Achtsamkeit und unsere Sorgen und Gewohnheiten bauen sich vor uns auf wie riesige Monster. In dem Moment erscheint es dann leichter, sich auf die alten Gewohnheiten zurückzuziehen, zum Beispiel im Handy zu wischen oder vor dem Fernseher zu sitzen, oder auch Einkaufen zu gehen, um sich dieser Arbeit nicht stellen zu müssen. Wir verschieben die Praxis lieber auf einen unbestimmten späteren Zeitpunkt.

Es kann auch passieren, dass wir es versuchen, wir möchten ja gerne weiter
kommen, doch die Verführungen durch die sechs Sinne, durch schöne Eindrücke von Menschen, Landschaften oder Elektronik, schöne Klänge, Gerüche, Geschmäcker, Berührung und sogar Gedanken, all diese erscheinen so angenehm, dass es doch zu schade wäre, es aufzugeben. Möglicherweise werden wir auch von unserem Stolz und der Anhaftung an unserem Ego in Beschlag genommen, von unserem Ärger überwältigt. All das mag dazu führen, dass wir unser Bodhicitta, den Geist der Erleuchtung, und unser Dharma-Leben verlieren und zurück in unsere weltlichen Gewohnheiten versinken.

Doch wer mutig ist und sich all den Feinden mit Entschlossenheit und Ausdauer stellt, kann diesen Kampf auch gewinnen und als Sieger zurückkehren.

Es ist kein leichter Kampf. Die Gewohnheiten sind tief verwurzelt, haben uns nicht nur dieses eine Leben sondern bereits unzählige Leben lang geprägt. Es erfordert Mut, sich selbst den Spiegel vorzuhalten und genau hinzuschauen. Ausgestattet mit Bewusstheit (Awareness) beleuchten wir uns genau mit der Lampe der Weisheit. Wenn wir tief schauen, werden wir viele Fehlbarkeiten sehen und dass kann manchmal schmerzhaft sein. Doch das ist der erste Schritt. Wenn wir den auslassen, kann unsere gesamte buddhistische Praxis leicht im „Spiritual Bypassing“ (Spirituelles Vermeiden) enden.

Was genau passiert in mir und was sind meine Motive?

Ich sehe mich, anderen von meinen Erfolgen berichten, wie gut ich etwas
vollbracht haben. Das ist Stolz in mir, mein Ego.

ch sehe mich, wie ich immer etwas Negatives denke oder zu bemerken habe. Das ist Ärger, der sich in Negativität äußert.

Ich schaue meine Motivation an, vegetarisch zu leben. Sind es überwiegend
gesundheitliche Gründe, ist es die Anhaftung an den Körper, ist es Mitgefühl mit anderen Wesen, steht es im Einklang mit meinem reinen Geist.

Ich lasse den Moment eines Wutausbruchs noch einmal Revue passieren. Ärger ist eine Trübung des Geistes, richtet viel Schaden an und ist daher in keinem Falle zu rechtfertigen.

Mit Mut begegne ich mir selbst, lasse all diese Fehlbarkeiten zu, stehe sie mir ein, auch wenn ich so nicht sein möchte oder sollte. Mit Liebe und Mitgefühl nehme ich sie an und bin entschlossen, sie zu ändern.

Jetzt erfordert es Tapferkeit, all dies auszuhalten ohne zu reagieren und auch ohne sich zu verurteilen.

Ich sehe, wie meine Gier aufkommt, Gier nach etwas Materiellem,
Konsumgütern, Essen, aber auch Gier nach Ruhm und Anerkennung, nach Sex und sogar Schlaf (wenn ich zum Beispiel noch zehn Minuten länger liegen bleiben möchte). Ich ertrage diese Gier tapfer, ohne ihr nachzugeben. All dieses ist aber auch vergänglich. Dieser Moment der Gier wird nach einiger Zeit von sich aus verschwinden. Mit jedem Moment des tapferen Aushaltens wird ein kleiner Sieg errungen, der uns stärkt und ermutigt.

Wir brauchen Mut, unsere Gewohnheiten zu verändern, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen. Anhaftung schafft Leiden, aber nur allzu oft bevorzugen wir dieses Leiden, weil es uns so vertraut ist. Buddha beschreibt in einem Bildnis einen Mann, der sich krampfhaft an einem glühenden Pfahl festklammert und fürchterlich leidet. Jemand rät ihm, loszulassen, doch er sieht unter sich einen Abgrund und hat große Angst. Nach mehrmaligem Drängen und größter Überwindung lässt er schließlich los und merkt, dass er fest mit beiden Füßen fest auf dem Boden steht. Er erkennt seine eigene Dummheit.

Wie dieser Mann, so halten auch wir krampfhaft an unserem Leiden und
Gewohnheiten fest, seien es andere Menschen, unser Kaffee am Morgen, das
Weinchen am Abend, unser Ärger als Reaktion oder unsere Angst vor der eigenen Vergänglichkeit. Dabei haben wir gar nichts zu verlieren. Die Person, mit der wir uns so stark identifizieren ist nur eine Illusion, zusammengesetzt aus den Fünf Skandhas, von sich aus leer. Wenn wir alles loslassen, erst dann eröffnet sich etwas völlig Neues. Dann haben wir die Chance, unser wahres Selbst, unsere Buddha-Natur, zu erfahren. Diese ist immer da, der Wesensgrund unserer Existenz und doch im Absoluten jenseits der Dualität von Existenz und Nichtexistenz. Wenn wir statt im Äußeren, auf den sechs Sinneseindrücken, zu verweilen, nach innen kehren, auf dem „Wahrnehmer“ verweilen, unserer Bewusstheit (Awareness), dann erfahren wir, dass wir seit anfanglosen Zeiten vollständig und perfekt gewesen sind.

Mit dieser Bewusstheit gewappnet, mit Ausdauer und Mut, werden wir alle
Dämonen unseres Geistes bezwingen und unsere Buddha-Natur verwirklichen können. In dem Moment sehen wir, dass alle Feinde und Dämonen, sowie die Krieger nur eine Illusion gewesen sind. Wir sind vom langen Traum des Kampfes erwacht.

Der Vergleich mit einem Kampf mag uns aus heutiger Sicht etwas fremd anmuten, doch soll hier ausgedrückt werden, dass die Suche nach der Wahrheit, der Weg zur Erleuchtung, kein einfacher ist und wir uns aufrichtig bemühen müssen, wenn wir nicht nur an der Oberfläche bleiben wollen. Trotz der Terminologie eines Kampfes können wir den Weg dennoch mit Freude und Leichtigkeit gehen und werden durch unsere schrittweisen Transformationen positive bestätigt.